Achtung, Theater! – ‚Daddy unplugged‘ an der Neuköllner Oper

Piep. Piep. Piep. Markant monoton gibt das EKG sein fragil hoffnungsvolles Signal von sich. Momentan ist alles okay, sagt es akustisch den Gästen im Wartebereich. Aktuell haben drei Personen Platz genommen, zwei Frauen und ein junger Mann. Und sie warten. Sie warten auf ein Zeichen, einen Wink der Ärzte:innen, des Stationspersonals, dass endlich etwas passiert. [...]

‚Nostalgia‘ von André Kubiczek

„Liebe Oma aus Laos, es ist Dienstag, der 22. Dezember 1981, kurz vor fünf. Ich sitze in der Straßenbahn der Linie 1, fahre zum Hauptbahnhof, und noch geht es mir gut!Dein EnkelAndré" (S. 88) Nichts steht still kurz vor Weihnachten. Seine Großeltern soll er abholen, die aus Thale anreisen und bleiben wollen bis Silvester. In [...]

‚Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne‘ von Saša Stanišić

Der Sommer gibt alles. Die Sonne knallt hinab auf die Stadt. Saša und seine Freund:innen haben sich auf die Hänge verzogen. Oben, in die Weinberge. Hier ist es kühler. Viel kühler als im Wohngebiet, wo kluge Planer vergessen hatten, Bäume mitzuplanen. Gesprächsthema sind die Familienurlaube. Klassisch nach Italien, sagt der eine. Ein anderer spricht von [...]

‚Kälte‘ von Szczepan Twardoch

Ach, Konrad Widuch, alter Matrose, du Ex-Maat der kaiserlichen Marine, Aufständischer, Ex-Bergmann, du elender Ex-Bolschewist und Revolutionär, den sie aus der Partei geworfen haben. Nun sitzt du hier, festgefroren auf diesem Schiff, in dieser weiten weißen Hölle. Danke Gott, du Glückspilz, dass du die Invincible gefunden hast und dich der Große und der Kleine gastlich [...]

‚Wie ich einmal lebte‘ von Ahne

Ahne ist zehn oder zwölf, als er mit seiner Familie nach Karlshorst zieht. Die ersten Jahre in der Schule sind kein Zuckerschlecken. Gar nicht des Unterrichts wegen oder der vielen Dinge, die es zu lernen gilt. Ahne, der eigentlich Arne heißt, hadert mit den Anforderungen, die an ihn gestellt werden. Und mit sich. Tue dies, [...]

‚Der Komet‘ von Durs Grünbein

Dora ist 16 Jahre alt, als sie ihrer familiären Enge entkommt. In einem kleinen Dorf in Schlesien aufgewachsen, lernt sie als Aushilfe in einem Blumengeschäft Oskar kennen. Oskar, zehn Jahre älter als Dorle, wie sie von ihrer Familie unfreiwillig genannt wird, hat schon länger ein Auge auf sie geworfen. Und kurzerhand, nach fünf, sechs, vielleicht [...]

‚Lichtspiel‘ von Daniel Kehlmann

Was nützen das schöne Wetter und die freundlichen Menschen ringsum den Pool auf dieser langweiligen Gartenparty, wenn man doch einfach zu warm angezogen ist, nichts versteht von alledem, dem Film und Branche im amerikanischen Exil. Alle sagen sie dir, Metropolis, great, so great. Was wissen sie von meiner Arbeit. Nichts, keiner weiß irgendwas. Zuhause im [...]

‚Isidor‘ von Shelly Kupferberg

Ein kleines Schtetl in Ostgalizien. Hier beginnt 1886 der American Dream auf Österreichisch für Dr. Isidor Geller, der in bitterer Armut erwächst, die Talmud-Schule besucht und unter dem strengen Regime seines Vaters – von Beruf Rabbiner – leidet, rebelliert, ausbricht und sich aufmacht. Aufmacht über Lemberg, wo er studiert und seinem großen Bruder später folgt, [...]

‚Unser Deutschlandmärchen‘ von Dinçer Güçyeter

Nettetal, du verschlafene Schönheit mit weiten Wiesen, Wäldern, schwungvoll seichten Hügeln. Geschrieben steht es im Prospekt des Tourismusvereins. Werbung, PR, als noch niemand den Begriff kannte. Vor zehn, 20, 40 Jahren rauchten hier Schlote. Stechuhren klicken, nicht die Fotoapparate. Yilmaz hat Nettetal gewählt, als alle versprachen, dort gäbe es Arbeit. Yilmaz und Fatma gehen. Das [...]