‚Was wir schon immer sein wollten‘ von Julian Mars

Oh, man, was soll man sagen? Sind sie nicht furchtbar schnell erwachsen geworden? Felix steht auf der Schwelle ins gefühlt beste Jahrzehnt seines Lebens. Er hat sich entschlossen, Emilie nicht den Korb zu geben und ihrem Wunsch, die Vaterschaft anzunehmen, entsprochen. Und als sich im Darkroom plötzlich Martin neben Felix setzt, ihm bei unromantischem Licht herzenswarme Worte flüstert, kann dieser nicht anders als zu erwidern: Lass uns von hier verschwinden. Und das tun sie.

Mit 30 bekommt das Leben nochmal Drive und zwar von der coolen Sorte. Man ist noch jung, attraktiv, aber bei weitem nicht mehr so naiv wie mit 20 an der Uni, hat den ersten Job, der Geld abwirft und man beginnt, die wirklich krassen Dinge zu starten. Zusammenzuziehen, Kinder zu kriegen, festzustellen, dass ein Mensch einem nicht alles geben kann, auch wenn man ihn liebt. Anders formuliert: Sich eine gesicherte Existenz aufzubauen. All das passiert in den Leben von Felix, Emilie, Martin, Elias, Hugo alias Niki, Anna und der restlichen Rasselbande so Daily-Soap-like, dass man gar nicht anders kann als weiterzulesen. Erinnern Sie sich eigentlich noch an Mirande Hobbes, die coole Socke?

„‘Das ist für alle das Beste. Außerdem wollte ich schon immer eine Kinderfrau haben. Das hört sich doch richtig classy an, oder?‘ ‚Das kommt davon, wenn man erst zu viel Sex and the City und dann zu viel Downton Abbey guckt‘, diagnostizierte Hugo.“ (S. 55)

Oh, man, was soll man sagen? Julian Mars‘ dritter Teil seiner Coming-of-Age-Trilogie ‘Was wir schon immer sein wollten‘ ist so dynamisch wie die 30er. In süß-rotziger Großstadtschnauze verfasst, beendet Mars auf 323 Seiten seine Romanreihe über die Irren und Wirren von Menschen ohne wirkliche Probleme. Und das erzählt der Autor mit so viel Empathie und spitzem Humor, dass man lacht, fiebert, die Mundwinkel verzieht und denkt: Felix, du Protagonistenidiot, musst du wirklich jedes Fettnäpfchen zweimal mitnehmen?

‚Was wir schon immer sein wollten‘ ist ein Roman, der im besten Sinne Spaß macht. Maßvoll aufregend geschrieben, ohne ständig drüber zu sein, ist er ein Roman zum Abschalten und Erinnern, als man selbst begann, um Fettnäpfchen große Bogen zu machen. Andererseits aber Salt and Pepper ansetzt. Mars wirft zudem viele Seitenblicke auf die (Berliner) queere Community, was den Roman abrundet und vielstimmig orchestriert.

‚Was wir schon immer sein wollten‘ verschlang ich an einem Tag. Nicht nur, weil die Steuererklärung rief, sondern insbesondere, weil ich es nicht zu aushielt, zu erfahren, wie es ausgeht mit Miranda und Steve.

Eine Antwort auf „‚Was wir schon immer sein wollten‘ von Julian Mars

  1. Nach dem Lesen dieser Rezension wollte ich sofort in den Buchladen rennen, das Buch kaufen und einen freien Tag nehmen!
    Danke für Lust an und auf Bücher, lieber Michael

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