‚Auch nur ein Mensch‘ von Marc Hujer

Dieser Tage finden bundesweit ganz, ganz viele Kreisparteitage statt. Denn die Parteien nominieren ihre Kandidierenden für die Wahl zum Deutschen Bundestag im September 2021. Bei uns in Berlin finden zudem die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den 12 Bezirksverordnetenversammlungen statt. Warum ich das schreibe? Weil sich viele tausende Menschen öffentlich bei Wahlen um Mandate in den Parlamenten bewerben. Menschen wie du und ich, wie Sie und ihr. Einige sind bekannt aus den Fernseh-WGs von Anne Will oder Markus Lanz, andere fleißige Bienchen im Hintergrund. Wieder andere sind Newbies mit großen Hoffnungen, Zielen und Wünschen. Über einige von ihnen schreibt Marc Hujer in seinem Buch ‚Auch nur ein Mensch‘.

Insgesamt elf Portraits auf 275 Seiten – informativ, hübsch bebildert, nicht reißerisch, dafür gefällig geschrieben, massenkompatibel. Elf Geschichten für Sie, für euch, für mich? Tanzen mit Katrin Göring-Eckardt, Porsche fahren mit Christian Linder, Fußball schauen mit Alpha-Juso Kevin, auf der Jagd mit Philipp Amthor. Elf Geschichten über elf Personen, die wir kennen, vielleicht wählten. Die uns ähnlicher seien, als wir meinen? Ähnlicher als wir meinen, sind sie uns tatsächlich. In Marc Hujers Homestorys wird dies leider zu wenig transportiert. Schade.

Die Stärke des Buches sind die Einblicke des Autors in den Politikbetrieb. Seine Kenntnisse als Journalist über Abläufe, Spielchen, Ängste und die guten Sitten im Spiel Hauptstadt-Journo vs. Hauptstadtpolitik:in. Gleichzeitig ist diese Stärke wesentlicher Nachteil des Buches, das durchaus versucht, zu menscheln. Ein Buch, dass Einblicke erhascht, die nett, ganz beiläufig, zufällig wirken sollen, aber eben doch choreografiert und durch Presseabteilungen vorbesprochen sind. Was auf der einen Seite absolut verständlich ist und durch den Autor auch benannt wird, sollte auf der anderen Seite, insbesondere für die Zielgruppe, klarer kontextualisiert werden.

Als kleiner Kommunalpolitiker wertschätze ich den Anspruch des Buches ausdrücklich. ‚Auch nur ein Mensch‘ sind Geschichten von Personen und ihre Leidenschaften, über die wir selten liebe Worte hören oder lesen – manchmal auch aus Gründen. Hujer rückt sie in ein anderes Licht, versucht persönliches und privates zu fokussieren. Doch mir fehlt der Tiefgang in seinen Berichten, die zweifelsohne nett geschrieben sind und sich wunderbar an einem Sonntag im April wegschnurpsen lassen. Vor diesem Hintergrund mein Fazit: Wer mit Anton Hofreiter gerne Pralinés zaubern möchte, wird eine gute Zeit haben. Wer nach Persönlichem, nach Hintergründen, nach Motivation und Haltung sucht, wird über die üblichen Allgemeinplätze hinaus enttäuscht.

  • Gelesen im März 2021
  • Ich danke der Deutschen Verlags-Anstalt für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

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