‚Die Kunst der Demokratie‘ von Carsten Brosda

Was sind Kunst und Kultur in Zeiten wie diesen? Welche Bedeutung hat die Kultur für eine offene Gesellschaft? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des essayistischen Sachbuchs ‚Die Kunst der Demokratie‘, auf die der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda Antworten findet und gibt. Seine 253 Seiten umfassende Publikation ist gleichsam weit mehr als ein Lippenbekenntnis zum Wert der Kultur. Denn Kultur ist notwendige Bedingung der offenen Gesellschaft und einer liberalen Demokratie, wie Brosda schreibt. Seine These, Kultur ermögliche erst durch die Auseinandersetzung mit dem verhandelten Gegenstand einen kritischen Diskurs über die Frage, wie wir leben wollen, wird geradezu zum Manifest. Denn gerade durch den Diskurs über zeitaktuelle Fragen, so der Autor, werden individuelle Erfahrungen gemeinschaftsstiftend für die gesamte Gesellschaft.

Brosda entfaltet seine Gedanken, wie die Kultur facettenreich ist. In elf Kapiteln zuzüglich Quellenverzeichnis beginnt der Autor mit einer Analyse zum Status quo, geht auf aktuelle Großwetterlagen ein, bringt die zu verteidigenden Werte der Aufklärung gegenüber postfaktischen Meinungen in Stellung, um in einem Plädoyer für die unbedingte Freiheit der Kultur gegenüber allen Determinierungsversuchen zu enden. Insbesondere postfaktischen, (rechts)-populistischen und identitätspolitischen Erosionsversuchen, die nicht ergebnislos bleiben, hält Brosda bereits zu Anfang entgegen:

„Die Auseinandersetzung mit Kunst rationalisiert emotionale Erfahrungen insofern, als sie Strategien eröffnet, sich unter Umgehung klassischer Aneignungskommunikation individuell in eine Zwiesprache mit dem Werk zu begeben. Und sie bietet in der Folge einen beinahe unermesslichen Schatz an Anknüpfungspunkten für soziale Kommunikation über das Gesehene und Erlebte. Sie fördert so nicht nur soziale Vernetzung, sondern auch die kommunikative Kompetenz zum Austausch und Verhandeln unterschiedlicher und kontroverser Meinungen“ (S. 16).

Ums Aushalten geht es! Wie die Kunst an sich, ist auch ‚Die Kunst der Demokratie‘ nicht voraussetzungslos. Oftmals lang aufgebaute Argumentationsketten beanspruchen Aufmerksamkeit. Um Hürden abzubauen, erläutert Brosda in gewählter Sprache ideengeschichtliche Zusammenhänge, gibt verständliche Einführungen bspw. zu Karl Popper oder zur Medienlogik. Der stete Rückgriff auf das Grundgesetz, das einerseits das Fundament politischen Handelns bildet und andererseits die zivilisatorische Einigung auf die Frage manifestiert, welche Werte unsere liberale Demokratie konstituieren, sind Brosdas Anker und Richtschnur.

‚Die Kunst der Demokratie‘ ist ein zutiefst um Dialog und den Wettstreit ums beste Argumente bemühtes Buch. Allein schon deshalb – des inneren Grübelns und Nachgrübelns wegen – empfehle ich dieses Buch als inspirierende Lektüre. Wenn sich der Autor auch manchmal in Redundanzen ergeht, so sind sie Ausdruck und Bemühen, die Dinge unaufgeregt vor Augenschein zu führen, die auf dem Spiel stehen. Insbesondere zu diesem Buch freue ich mich auf kritische Kommentare und eine interessante Diskussion.

  • Gelesen im Dezember 2021
  • Eine wundervolle Wiederentdeckung im Buchshop des Deutschen Historischen Museums.

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