Achtung, Theater! – ‚ugly duckling‘ im Deutschen Theater

Wer die Geschichte des hässlichen Entleins erzählt sehen möchte, ist in dieser Arbeit von Bastian Kraft deutlich fehl am Platz. Bastian Kraft stellt sechs Charaktere auf die Bühne der Kammerspiele, die das tun, was sie können. Regine Zimmermann und Helmut Mooshammer spielen Theater. Jade Pearl Baker, Gérôme Castell, Judy LaDivina und Caner Sunar singen, tanzen, entertainen. Doch ihre Berichte, ihre Worte klotzig und künstlich in den Mund gelegt, verfingen nicht, bleiben oberflächlich, unauthentisch und fade. Einen Vorwurf machen kann man den Darstellenden keineswegs: Auf ihrem Gebiet sind die gut, bisweilen sehr gut.

Zum Inhalt: Es soll die Geschichte des hässlichen Entleins erzählt werden. Leider handeln die kommenden 110 Minuten mal von Arielle, der Meerjungfrau, mal von biografischen Sprenkeln und persönlichen Episoden der Darstellenden. Das ist irgendwie nett, doch dramaturgisch so professionell wie die Berliner Verwaltung. Mit kopiertem Bühnenbild und Ideen aus der Lenin-Inszenierung der Schaubühne wurde in hölzernen Monologen nicht Theater gespielt, sondern öffentlich Psychotherapie veranstaltet. Dass Darstellende durch Kunst, Theater, was auch immer, verarbeiten und an sich wachsen, ist wunderbar. Doch ob es dafür das Deutsche Theater Berlin benötigt, stelle ich deutlich in Frage. So ergibt sich insgesamt ein Abend, der keiner weiteren Beachtung lohnt. Durchaus vorhandene Potentiale blieben ungenutzt. Sie wurden verschenkt und ‚ugly duckling‘ völlig missratene Banalität!

Das Anliegen der Inszenierung ist nobel. Im Theater einer kleinen Stadt oder den Landesbühnen irgendwo in der westdeutschen Provinz wäre diese Arbeit ein großer Wurf. Denn das dortige Publikum käme mit einer Welt in Berührung, die in Berlin – uns allen sei Dank – gelebter Alltag ist. Was 110 Minuten geboten wurde, ist eine Beleidigung der Zuschauenden und insbesondere der Darstellenden im bunten Bühnenkarussell. Ganz besonders ärgerlich ist ein fatales Missverständnis: Hier wurde Show mit Handwerk verwechselt. Theater soll auch Show sein, Unterhaltung – ja, gerne. Doch Theater ist in erster Linie Handwerk. Was bei ‚ugly duckling‘ geboten wurde, waren Betroffenheitsberichte im Stuhlkreis mit Make-Up und Musik. Unter dem Eindruck der Pollesch-Inszenierung im Friedrichstadtpalast haben Bastian Kraft und insbesondere die abwesende Dramaturgie von Ulrich Beck hier den zweiten Pol von oben nach unten markiert. Eine große Enttäuschung und Lose-lose-Situation für alle.

  • Gesehen am 17. Januar 2020
  • Hier die Stimme der Nachtritik.

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