Maşallah, mein Hübscher, mein Schöner. In zehn Tagen, nein, in neun, werde ich dich wiedersehen. Deinen Duft nach Orangen und Meersalz riechen, deine schwarzen Haare berühren, verzehrt werden, versinken in deinem Blick. Hassan, in neun Tagen komme ich zu dir nach Adana – nicht zurück, nein. Du wolltest mich nie, wie ich dich wollte, du Hundesohn. Wenn Dede dich gegenüber am Fenster sah, sagte er: Dieser Hundesohn, lass ihn, Zeko. Zakariya, hörst du?
Du bist meine fremde, mir immer fremdgebliebene Liebe, Hassan, weißt du das? Wenn ich die Stadt durchstreife auf Grindr, Typen date und zu mir nach Kreuzberg einlade, denke ich an dich – viel zu oft. In acht Tagen werde ich dich wiedersehen. Deine Haare zerzausen, wir raufen und vergessen Dedes Worte, mein Hundesohn. Ich vergesse die flüchtigen Dates von gestern und vorgestern und vor drei Wochen. In sieben Tagen werde ich Hassan wiedersehen.
„Wenn ich ya ‚albi sage, sage ich ya qalbi und ya kalbi zusammen, ich sage, mein Herz und mein Hund. Denn in die Lücke passt mehr als ein Buchstabe. Wenn ich ya ‚albi sage, dann meine ich: Du Hund, ich liebe dich.“ (S. 37)
Der Sommer ist die beste Zeit des Jahres in Berlin und die beste Zeit für Eskapaden, für Freizügigkeit, für queeres Leben von Kreuzberg bis zum Tiergarten und zurück. Ozan Zakariya Keskinkılıç weiß um die Magie dieser Zeit und öffnet dem Helden seines Erstlings ‚Hundesohn‘ all diese Türen. Doch was tut der Protagonist und Ich-Erzähler Zakariya? Er hangelt sich durch Grindr-Chats, imaginiert seine idealisierte Liebe zu Hassan und durchlebt eine mittelschwere Quarterlife-Crisis auf der Suche nach Nähe. Repetitiv springt die Handlung zwischen retrospektiven Anekdoten seiner Kindheit und Jugend sowie dem Datingverhalten eines 30-jährigen in der Großstadt.
Bekannt geworden ist der Autor als Lyriker, beispielsweise mit „Prinzenbad“ (2023). Seinem Stil blieb Keskinkılıç treu. So präsentiert sich ‚Hundesohn‘ eher als Anthologie verbundener Alltagsminiaturen denn als ein klassischer Roman. Auch stilistisch schreibt Keskinkılıç in feiner Lyrik, beinahe traummalerisch, kontrastiert durch formalisierte Beschreibungen potenzieller Dates seines Protagonisten. Wer Lyrik mag, wird ‚Hundesohn‘ schätzen.
Inhaltlich bleibt der 220 Seiten umfassende Roman jedoch hinter meinen Erwartungen zurück. Weder die unverarbeitete Trauer über den Verlust des Großvaters, noch seine Liebe zu Hassan oder die dialogischen Reflektionen mit Zekos Freundin Pari über sein Leben in Berlin bieten genügend gut lektorierten Stoff, um diesen schmalen Roman spannend auszufüllen.
‚Hundesohn‘ ist vielmehr eine Liebeserklärung an die Sprache und an die Kultur und keine primär inhaltliche Auseinandersetzung. Fast dialektisch begibt sich der Protagonist auf eine Spurensuche nach seiner und der Muttersprache seiner Familie. Das ist zwar ganz wunderbar zu lesen, hat mich aber leider nicht abgeholt. Mehr Tempo hätte ‚Hundesohn‘ formal und inhaltlich ebenso gutgetan.
- Gelesen im Oktober 2025
- Ein großes Dankeschön geht dennoch an meine Kollegin Henrike für ihre Empfehlung!
Sag mal, ist das verfilmt worden und evtl
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