‚Damals im Sommer‘ von Florian Gottschick

„Fragte man mich noch vor ein paar Jahren, woher meine ungemütliche Penibilität mit der deutschen Sprache kommt, schob ich es auf meine Mutter […] Diesen Perfektionismus habe ich in den letzten Jahren immer mehr versucht abzulegen. Er war mir viel mehr ein Gefängnis als eine Befreiung. Heutzutage überfällt mich keine akute Hyperhidrose mehr, wenn ich in den Zeiten springe, die Fälle kausaliere, Verben substantiviere oder Sprichwörter aphasiere.“ (S. 30)

„Ich hielt den Atem an und vernahm Musik, die nicht aus den Lautsprechern des Fahrstuhls zu kommen, sondern aus einem Paralleluniversum herüberzudiffundieren schien. Ich verspürte Nervenkitzel und so etwas wie erotische Gespanntheit. Ein angenehmes Ziehen in der Leistengegend. Enttäuscht schlossen sich die Fahrstuhltüren mit dem gleichen leisen Ausatmen, und ich empfahl mich.“ (S. 38)

Ich frage mich, was hat Florian Gottschick bewegt, solch gestelzten Mumpitz in seinen Laptop zu tippen. Beim Lesen derlei sperriger Sätze diffundiert viel mehr die Frage herüber, ob der Ich-Erzähler und Protagonist, ein sympathischer, wenn typischerweise auch verklemmter Teenager auf Sommerurlaub mit der Familie, tatsächlich den eigenen Perfektionismus reflektiert. Oder ob nicht der Autor sein nach außen gebürstetes Ego, sein Was-auch-immer der Welt der präsentieren möchte, was wiederum seinem Sympathiekonto wenig zuträglich wäre.

Nun geht es hier nicht um Sympathie, sondern um einen Roman, den Heike Makatsch als „so aufregend wie den verbotenen Griff nach einem fremden Tagebuch“ beschreibt. ‚Damals im Sommer‘ besitzt tatsächlich die Anlage, ein ganz wundervoller Coming-of-Age-Roman zu werden, wie ‚Hard Land‘ von Benedict Wells oder ‚Der große Sommer‘ von Ewald Arenz es sind. Der Protagonist verliebt sich in den wenige Jahre älteren Franzosen Filip, und vielleicht erinnert sich die eine oder der andere gerade selbst an das zauberhafte Gefühl der ersten Schmetterlinge im Bauch – was für ein Potenzial böte dieser queere Sommerroman? Umso ärgerlicher, wie sich Florian Gottschick in Nebensächlichkeiten verheddert mit schlechtem Handwerk, wie zum Beispiel detailversessenen Beschreibungen von Räumen im elterlichen Haus oder das kurzzeitige in Szene setzen von Figuren, die keinerlei Relevanz sowohl für die Kern- als auch für die Rahmenhandlung entwickeln. Ebenfalls störend sind die retro- und prospektiven Sprünge, die grundlos ausfädeln und die erzählte Zeit von einer Woche unnötig dehnen. Es drängt sich wiederholt der Eindruck auf, der Autor steht einfallslos vor seiner eigenen Geschichte.

Auch wenn ich mich gelegentlich gerne von Covern motivieren lasse, ein Buch zu lesen: Grüne Badehosen sollte niemand tragen. Nicht heute, nicht in den 90ern und schon gar nicht als Teenager, gezeichnet auf rosafarbenen Luftmatratzen. Viel heiße Luft auf 188 Seiten.

  • Gelesen im Juli 2023
  • Hab vielen Dank für dein Geschenk, lieber Thomas.

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