Das Leben in Philadelphia ist gewiss kein Zuckerschlecken, ist man das Leben in einer richtigen Stadt gewohnt. Alix hat nach der Highschool den Sprung ins Haifischbecken gewagt und geht nach New York. Natürlich kann es nur New York sein für Alix Chamberlain, dem Mädchen aus neureichem Hause. Sie studiert und erwirbt mit einem Blog über Produktbeschreibungen den Lebensstandard, der nicht nur angemessen ist, sondern auch den Unterhalt sichert. Im Grunde hat Alix Glück und Chuzpe: Für sich, für ihr Leben, für ihre drei großartigen Freund:innen, die so fabelhaft sind, wie sie. Alix heiratet, bekommt ein Kind – Briar – und irgendwann ein zweites, womit ‚Such a fun Age‘ beginnt und Alix, leider, in die Provinz nach Philadelphia verfrachtet wird.
Emira Tucker wuchs ohne goldene Löffel am Esstisch auf. Und gerade deshalb ist sie stolz auf sich, ihren Uniabschluss, ihr Leben und ebenso ihre coolen Freund:innen. Emira, Mitte 20, PoC mit großem Herz, ist einigermaßen planlos und weiß, dass sie planlos ist. In wenigen Monaten fällt sie aus der Krankenversicherung ihrer Eltern. Auch die Miete ihrer Wohnung wird zum Jahreswechsel unverschämt teuer. Höchste Eisenbahn, weniger Tequila und Cocktails zu schütten, tagsüber dafür Bewerbungen auf chicem Papier in die Welt zu schicken. Zur Not tuts erstmal der Job als Babysitterin bei Alix Chamberlain, der reichen weißen Frau mit reichem weißem Mann und süßen weißen Kindern, die von ihr – Emira – mehr geliebt werden, als von beiden Eltern zusammen.
Kiley Reid hat mit ihrem Debütroman die Themen aufs Tapet gebracht, an denen das Land der ungekannten Möglichkeiten so sehr krankt und immer kränker wird: dem strukturellen Rassismus, Privilegien und der heiligen Weisheit, dass gut gemeint, noch lange nicht gut macht bedeutet. Ihr für den Booker Prize nominierter Roman ‚Such a fun Age‘ ist ‚Sex and the City’ im Heute und Hier. Coole Frauen, die über Männer, Jobs, Sex, Parties, und Kinder bei Cocktails fröhlich fabulieren, weil sie wissen, wie der Hase läuft. Aus ihrer Sicht, in ihrer Schicht, in ihrer Bubble. Dabei nimmt Reid kein Blatt vor den Mund und schreibt im Tempo ihrer taffen Protagonist:innen.
‚Such a fun Age‘ sind 348 Seiten, die Amerika mit spitzem Bohrer auf den Zahn fühlen. Wirklich sehr amerikanisch geschrieben – ‚Sex and the City‘ in Literaturform –, weiß Reid dennoch sehr wohl, wie sie ihre Themen, ihre Statements charmant transportiert. Dieses Buch ist ein Roman für alle jene, die es gut meinen. Für all jene, die Diskurse der Identitätspolitik endlich mit viel Witz lesen wollen, die Spaß an Amerika haben, Spaß an moderner Literatur. Und für all jene, die Humor und Besonnenheit gegenüber Dogmen den Vorzug geben. Ich sage: Lesen, und freue mich auf spannende Kommentare.
- Gelesen im August 2021
- Ich danke meiner Buchhänderlin aus der Buchkantine für die Empfehlung dieser witzigen und leichten, aber keineswegs anspruchslosen Sommerlektüre.