‚Die Schwärmer‘ von Willi Hetze

Teo ist im besten Sinne, was man einen guten Jungen nennt. Er hat Sinn für seine Mitmenschen, Interesse an seinen Freunden – viele gibt es nicht –, an seiner Familie. Teo ist natur- und heimatverbunden. Sehr sogar! Teo wächst in einer nicht näher benannten Provinz auf. Einem Landstrich zwischen Bergen, Wäldern und Sümpfen, durchzogen von fünf Flüssen. Wir begleiten ihn durch seine Kindheit, seine Jugend und Werktätigkeit im Postgewerbe – süß. Unser Protagonist ist zudem mit einer Naivität ausgestattet, die einerseits liebenswürdig ist, andererseits etwas sehr klischeebehaftet – schade. Mir leider zu wenig des Guten, aber nichtsdestotrotz eine spannende Studie über eine mögliche Zukunft.

‚Die Schwärmer‘ von Wille Hetze ist ein Roman, der vieles verbindet: Technische Innovation und Zukunftsangst, Familiensinn und Entwurzelung, Evolutionsdiskurse und Heimat. Anders formuliert sind ‚Die Schwärmer‘ der literarische Versuch eines Neonaturalismus: Der entfremdete Mensch unfrei zwischen Algorithmen. Bedauerlicherweise bleibt es beim Versuch. Obwohl Hetze auf 373 Seiten dramaturgisch versiert und technisch kundig über eine mindestens denkwürdige Zukunft schreibt, bleiben seine Figuren hölzern in Klischees gefangen. Das unterfordert. Der Gegensatz bleibt mir sprachlich zu berichten: Leserfreundliche Sätze in ansprechender Sprache, doch zu viel Barock. Zu viele Adjektive, zu detailreich. Dennoch keineswegs missraten, sondern Geschmackssache.

Der große Mehrwert ‚Der Schwärmer‘ liegt in Hetzes angewandter Cleavage-Theorie. Der Dresdner Soziologe bedient sich seiner sächsischen Umwelt, der Menschen seiner näheren Umgebung, mit ihren Konflikten und ihrem Wertehorizont. So gibt es die Provinzler versus die Hauptstädter, Familienmenschen versus gefühlslose Schwärmer. Zudem werden anhand des Protagonisten – Teo ist Briefzusteller – Fragen vom Wert der Arbeit im Digitalisierungsdiskurs erörtert. Umfangreich, aber durchweg interessant!

‚Die Schwärmer‘ ist konservative Gegenwartsliteratur und Hetzes erster Roman. Mit Luft nach oben, aber immerhin! Auch wenn nach meinem Geschmack vieles zu konservativ und einiges zu profan erzählt wird, gratuliere ich dem Autor ganz herzlich zu seinem Erstling. Persönlich sind wir aus Studienzeiten gut bekannt. Aber nicht nur deshalb freue ich mich auf viele weitere Arbeiten von dir, lieber Willi.

  • Gelesen im Januar 2019
  • Ein interessantes Weihnachtsgeschenk von Erich. Vielen Dank!

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