April ist ein Mädchen, das sucht. Eine Frau die all jenes sucht, was für andere selbstverständlich ist: Gewissheit, bedingungslose Liebe, Antrieb, Stolz, Mut, nicht Selbstzerstörung und Ziellosigkeit. April wächst als Kind in Westsachsen auf, erlebt wenig Gutes, kommt später ins Heim und die Psychiatrie. Mit ihrer Volljährigkeit wird ihr ein Zimmer in Leipzig bei einer älteren Dame zugewiesen. Rasch verfliegt ihre anfängliche Freude. Es gibt Ärger. Sie macht Ärger – einigermaßen reichlich sogar.
April sucht und findet ihr immer kurzes Glück. Ihr tägliches Ritual führt sie abends durch die Kneipen der Stadt. Szenekneipen und Bars der Bohème, wenn man davon im Leipzig der 70er Jahre sprechen kann. Trotz planvoller Selbstzerstörung gelingt es April, an Menschen zu geraten, die ihr das geben, was sie sucht. Und was sie tatsächlich braucht. Sie trifft auf Barbara, der sie ihr Überleben verdanke. Auf Hans, Vater ihres Kindes und für einige Zeit fester Fels und starker Anker in stürmischen Zeiten
Angelika Klüssendorf hat auf 219 Seiten zu Papier gebracht, was selten besprochen wird. Es sind die Graupelschauer, ist das Wechselhafte, sind die schnell fliegenden Wolken über nasse Felder von Gefühlen und innerer Zerrissenheit. Dazwischen die warmen Momente, die Frühlingssonne im April, die verfängt und bindet. ‚april‘ ist ein Roman, der wenig will und sehr viel schafft. Verschüchtert, wie eine geschlagene Hündin, sucht die Protagonistin, was viele in der DDR suchten und nicht fanden. Die repressive Gesellschaft im Obrigkeitsstaat hemmt, lässt erstarren und umso mehr die, die anders sind und ihr Anderssein nicht verstecken wollen oder können. Diese Bild ist streitbares Leitmotiv. Der selbstgewählte Name der Protagonistin und gleichnamige Titel sind Ausdruck dessen, was graues Einerlei spießiger Kleinbürgerlichkeit als psychischen Protest hervorriefen. Und wo physischer Protest als Kategorie nicht existierte: Unstetigkeit. April vereint beides – Protest und Unvermögen zur Anpassung. Geradezu sympathisch bei all ihren Schwächen.
Der Roman und seine Protagonistin erinnern an ‚Die fremde Frau‘ von Christoph Hein. Eine ganz inspirierende Reminiszenz, wie ich finde. Romanfiguren, deren unangepasste Gefühlswelt im inneren Monolog das verbalisieren, was nicht sein kann, nicht ist im Sozialismus. Was allerdings sein sollte, ist die Lektüre Klüssendorfs Roman. Dem Roman einer Antiheldin. Einer Antiheldin, die sucht und nach Kräften sabotiert. Einer Frau, die man an die Hand nehmen möchte, ihr etwas Gutes tun, um stets auf der Hut zu sein vor ihren Volten, ihrer tragischen Bissigkeit und dem Hunger nach Leben.
- Gelesen im Dezember 2018
- Ohne besondere Empfehlung, die allerdings hiermit ausgesprochen ist.