‚Komm in den totgesagten Park und schau‘ von André Kubiczek

Holla, die Waldfee, ist das Böse böse. So unglaublich böse – mir fehlen die Worte. Vom Bösen-Bösen gar nicht zu sprechen. Alte Menschen würden sagen: Da bleibt dir die Spucke weg. Und dabei gehts nicht um Spucke oder Sie, liebe Leserinnen und Leser, oder mich oder Stefan George, sondern um uns alle. Um uns im Allgemeinen sozusagen. Wir befinden uns literarisch in Köln. 2017 oder so. Sie erinnern sich: Beschissener Sommer, viel zu nass und viel zu kühl und diese AfD. Ach, zwölf Prozent waren es, nicht wahr? Wie dem auch sei, nun, Felix und seine (Fast-)Freundin und Felix‘ Nebenbuhler gaben ihr Bestes. Sie waren dabei, als das ultimative Böse-Böse durch Köln zog. Sie stellten sich ihm entgegen. Nicht aus jugendlichem Protest, sondern aus Überzeugung. Oder unglückliche Liebe. Denn es ist wichtig, denen, die unten sind, zu zeigen, dass wir, die Anderen, es nicht sind.

Zur gleichen Zeit rund 550 Kilometer östlich. Bezirksamt Pankow, Jugendamt, Abteilung für Unterhalt. Marek, zwar nicht Teil des Bösen-Bösen, aber auch unten. Mit blutiger Nase, zerrissener Anzughose, besten Absichten und mittelmäßigen Argumenten. Er kam trotzdem nicht gegen die zuständige Sachbearbeiterin an. Und dabei wollte er tatsächlich alles Gute und Schöne. Er liebt seine Töchter, wie auch seine Frau, nur sind sie undankbar. Und Felix, sein Sohn, unglücklich verliebt im Rheinland. Wie das Leben so spielt, betrinkt sich Marek mit einem seiner studentischen Mitarbeiter, während Felix, der seinen Vater seit vielen, vielen Jahren nicht gesehen hat, entschließt, nach Berlin zu ihm zu fahren. So nimmt das Schicksal seinen Lauf. Gute Reise in die Böhmische Schweiz.

Wer bislang nur Bahnhof verstand, befindet sich in ausgezeichneter Gesellschaft. Denn, meine Damen und Herren, aufgepasst: ‚Komm in den totgesagten Park und schau‘ ist der Roman des Jahres 2018. Inhaltlich völlig absurd und wunderbar grotesk, dafür sprachlich ausgezeichnet und sowas von neben der Mainstream-Mainline. Mit wunderbarer Leichtigkeit seziert André Kubiczek auf 379 Seiten unser Wohlfühl-Kuschel-Milieu. In dem wir uns so ausgezeichnet eingerichtet haben, weshalb wir geistig bequem und moralisch überlegen die Anderen völlig unstrittig zum Bösen-Bösen deklassieren können – selbstverständlich, bitte sehr! Kubiczeks Sittengemälde liest sich so kinderleicht von der Hand, dass man leicht Gefahr läuft, im Sarkasmus über die inhaltlichen Tiefenschichten hinwegzufegen. Die Vater-Sohn-Geschichte bildet einerseits den klassischen Diskurs Verantwortungs- versus Gesinnungsethik ab, ohne andererseits das Wesentliche zu vernachlässigen: Ausgezeichnete Literatur zu sein mit ordentlich Selbstironie und davon nicht zu wenig!

Fazit: Unbedingt lesen!

PS: Auch für meinen Lieblingserich das Buch der letzten Sommensaison.

  • Gelesen im Juli 2018
  • Eine ausgezeichnete Empfehlung aus der Buchhandlung Herschel, Anklamer Straße 38 in Mitte-Mitte.

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