Also, wo fange ich an? Am Anfang bestenfalls. Bestenfalls mit einer Kritik, Kunstkritik. Wo beginnt Kunst und wo endet die vermeintliche Revolution? Im orangefarbenen Mülleimer allerorten, im nackten Tanz, Ektase, im deklamierenden Monolog, Dialog, Trialog ohne Inhalt, ohne Verstand? Das Dilemma des Trilemmas? Ein Stück mit Anspruch – großem sogar – und ohne Ziel. Wo bleibt der Zweck? Kunst zum Selbstzweck frei nach einem Episodenroman on the Rocks von Jonathan Meese. Dem Autor, Regisseur, Menschen selbst, der sein Siebener-Ensemble 2:10 Stunden über die Bühne jazzen lässt. Singen, tanzen, sprechen. Spiel, viel Spiel und ohne Unterlass dreht die Bühne, fahren Vorhänge, ziehen Züge und Seile Leinwände hoch und runter und wieder hoch, während die Bühne fährt und wirklich alles gibt. Alles, bis aufs letzte Hemd, das Benny Claessens Susanne Bredehöft vom Leibe reißt.
Kerstin Graßmann schreit: Ich bin die Monosau! Im gleichnamigen Stück an der Berliner Volksbühne ist sie zurück und singt „Wunder gibt es immer wieder“ mit Hingabe, mit kantigem Ausdruck, mit hingerotzter Langeweile und Martin Wuttke wieder und wieder als Allrounder, Alleskönner, hopp hopp, Furunkelbello. Im Gesamtkunstwerk Deutschland, das Goldspray glänzt von Kopf und Haar bis Schamhaar. Franz Beil als hochfrequentierte Muschel – toll, wunderbar gespielt. Ich bin der Theromboy, Benny Claessens, herrlich, nicht herrlich. Wer muss hier Proll der Kunst werden? Wir? Jonathan Meese, das schwebende Ei? Proll, du Kunstproll, du.
‚Die Monosau‘, ein Abend vermeintlich ohne Inhalt. Worum es geht? Ich weiß es nicht. Monologe, Dialoge, Trialoge. Meese hat sich und sein Statement auf die Bühne gebracht mit einer Arbeit, die mit schlechter Akustik rauscht und so viel Humbug dahinfabuliert, dass die wenigen Hinschmeißer [ohne Genderdoppelpunkt!], die Rausgeher, Abbrecher, Den-Saal-verlasser ein Wunder sind.
Idioten, würde Meese sagen – vielleicht. Was Meese sagt, ist banal und unerheblich. Das Gegenteil ist seine regiefreie Arbeit, die reine Zumutung ist. Nichts als Zumutung und den wenigen Zuschauenden viel geistige Flexibilität abverlangt. Flexibel wie das Bühnenbild von Nina von Mechow, ein herrliches Kaleidoskop aus Bildern und Wellen und Miniaturen. Wer dazu in der Lage ist, hat einen großartigen Theaterabend. Denn ‚Die Monosau‘ ist das permanente Neujustieren, ein Scharfstellen nach zehn, 15 Minuten. Episodenroman, so ein Quatsch. Ein Textkonvolut sondergleichen, das Metaphern verschwendet mit Neologismen am tautologischen Band. Theater, Kunst, so durchgeknallt, dass die Reinheit der Form im philosophischen Sinne nur selten durchdringt bei aller Nervtöterei. Alles in allem, wo fange ich an? Am Anfang, am Ende? ‚Die Monosau‘ als Ringbahn, als S41 und S42 zurück. Dauerschleife, Dauertempo, guten Abend, gute Nacht.
- Gesehen am 6. April 2023
- Und hier die Stimme der Nachtkritik.