Der Kuhhirte Jakob ist ein ruhiger, ein gemütlicher Zeitgenosse. Am liebsten ist es ihm, hoch oben auf der Alm zu sein. Hoch oben auf der Weide bei den Kühen. Mit genügend Arbeit und ohne Besuch, ohne Menschen. Außer natürlich Marie wäre unter ihnen. Marie, die Tochter des reichsten Bauern im Tale und Jakobs Angebetete. Der Bauer kennt Jakob zwar gut. Schließlich schickt er nicht umsonst seine Kühe jeden Frühling hoch auf die Alm. Zu Jakob, der mit den Kühen spricht, nur nicht mit den Menschen. Da liegt der Hase im Pfeffer. Verständlicherweise will der Bauer seine Tochter nicht in irgendwelchen, gewiss aber in gescheiten Händen wissen. Wo ein Wille aber, nun ja, da auch ein Weg und Jakob hat starken Willen. Marie ebenso. Und so finden sie ihren Weg. Nur welchen? Ja, welchen Weg am Vorabend der französischen Revolution? Diese wunderbare Geschichte lassen Sie sich am besten von Ihrer oder Ihrem Liebsten erzählen.
Genau das tun Tina und Max, als sie in großer Einmütigkeit die Ratschläge des Wetterdienstes in spätherbstlich kalte Winde schlagen. Die beiden befinden sich auf der Rückreise aus Basel und beschließen, nicht die langweilige Autobahn zu nehmen, sondern über den Bergpass traute Gefilde anzusteuern. Dummerweise behält der Wetterdienst recht mit seiner Schneewarnung. Was a priori zunächst ganz prima anmutet, stellt sich retrospektiv als wirklich sehr blöde Idee heraus. Das Umfahren der polizeilichen Absperrung am Fuße der Passstraße war selten dämlich. Doch immerhin, was nützt es. Max beginnt also zu erzählen. Die Geschichte vom Kuhhirten Jakob und seiner Marie, der Tochter des reichsten Bauern im Tale. Die Geschichte von zwei Königskindern. Einem modernen Wintermärchen in vorindustriellem Gewand.
Alex Capus ist der Autor, der vom Schönen, Wahren und Gutem schreibt. Und das mit Recht, denn seine Romane, seine Erzählungen halten, was der Klappentext verspricht. Halten, was der Name Alex Capus verspricht. Es sind Geschichten, die man gerne hört und noch lieber liest. Die einfach sind, aber nicht schlicht und deshalb gut. Je nach Geschmackslage eben. Capus schreibt auf 185 Seiten ein Märchen ohne Leid, ohne Not, ohne Furcht. Vielleicht ein bisschen, okay. Dafür aber mit sehr viel Gleichmut, Ruhe, liebevollem Witz und allem, was verzaubernde, geradezu entführende Literatur braucht. Gekonnt verschränkt der Autor die gegenwärtige Rahmenhandlung (Tina und Max) mit der historischen Erzählung (Jakob und Marie), was beispielgebend gelingt.
‚Königskinder‘ ist der Roman für Sommer, Herbst und Winter. Wer noch Reiseproviant bunkert, wird mit Capus immer ein gutes Geschäft machen. So wie ‚Das Leben ist gut‘ ein Roman für traurige Momente ist, ist ‚Königskinder‘ die Fortsetzung. Für traurige Momente deshalb, weil Capus in seinen Büchern Lebensfreude vermittelt, wie es nur wenig Andere schaffen. ‚Königskinder‘ also – für Strandtage, Feiertage, Novembertage und Trauertage. Genau der richtige Roman für wirklich jede Lebenslage.
- Gelesen im April 2019
- Irgendwann zufällig im Buchhandel gesichtet, im Kaffeehaus beim Kaffeehaussitzer studiert und im Schaufenster vom Buchreigen, Raumerstraße 31 in P-Berg wiederentdeckt.
Huhu,
eine sehr schöne Rezension. Ich mag Alex Capus total gerne und gerade Königskinder hat mir wieder sehr gut gefallen, ich habe es dieses Jahr im Januar gelesen.
Léon und Louise bliebt allerdings meine Lieblingsgeschichte von ihm. Hast du das auch gelesen?
Liebe Grüße
Lisa
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Hallo Lisa,
vielen Dank für deine Nachricht. Bislang las ich von Capus ‚Das Leben ist gut‘, was mir ausgezeichnet gefiel. ‚Königskinder‘ reicht meiner Meinung nach nicht ganz an das heran. Überzeugt aber auf andere Weise, nämlich der Stimmung, der Ruhe vor dem Sturm, vor dem Ende der Alten Welt.
‚Léon und Louise‘ habe ich auf meine Leseliste gesetzt. Vielen Dank für deinen Tipp.
Sonnige Grüße aus Berlin wünscht
Michael
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