Das 1952 veröffentlichte Theaterstück „Warten auf Godot“ gilt als Höhepunkt des absurden Theaters. Samuel Beckett setzte mit seinem späteren Welterfolg einen Kontrapunkt zum Schrecken des Zweiten Weltkriegs mit knapp 75 Millionen Toten und Verheerungen allerorten. Die Vergeblichkeit des Seins nahezu ziellos zu verhandeln, in repetitiven Dialogen und zurückkehrenden Motiven, ist der Motor dieses Stückes, das durch seine Einfachheit besticht. Mit präzisen, klaren Sätzen als Ausdruck großer Verbundenheit zwischen den Protagonisten Wladimir, genannt Didi, und Estragon, genannt Gogo.
Beide warten auf einen entfernten Bekannten, der kommen wird, möglicherweise schon morgen. Dieser Bekannte, Godot, hat die Absicht dazu, aber konkretes weiß man nicht. Didi und Gogo wird die Zeit unendlich lang. Sie versuchen es mit Alberei. Spielen dies und das und starren in die Landschaft. Doch er kommt nicht. Irgendwann stößt Pozzo mit seinem Träger Lucky auf die beiden. Sätze werden gewechselt, etwas Essbares getauscht – ein Knochen. Gogo isst seine Rübe, Lucky beißt ihn. Lucky soll tanzen. Er tanzt. Er soll denken. Er denkt. Und sie warten auf Godot, auch an diesem Abend vergebens. Sie legen sich schlafen – Gogo kann nicht schlafen –, erwachen und das gleiche Prozedere beginnt von Neuem.
Ein im Beckett’schen Duktus passender Leitspruch könnte lauten: Was schwierig beginnt, wird selten gut. ‚Warten auf Godot‘ am Berliner Ensemble unter der Regie von Luk Perceval beginnt sehr schwierig. Der offene Vorhang gibt eine Bühne frei, die spartanisch ausstaffiert ist mit Scheinwerfern als wandernde Himmelsgestirne. Ein weiterer rückwärtiger Scheinwerfer markiert den Baum an der Landstraße, der zur Standortbestimmung dient und den allerletzten Ausweg preisgibt. Ilse Vandenbussches liederliches Kostüm greift Katrin Bracks nüchterne, aber unnötig karge Probebühne auf – dabei blühe die Landschaft. Stehe die Natur nicht in vollem Saft?
Perceval inszeniert einen ‚Godot‘, der sich ins Gegenteil verkehrt. Ein Anti-Godot, in dem verstümmelte Figuren unfähig sind, Sätze auszuformulieren. In dem freie Gedanken durch schreiendes Getöse verhindert werden. Matthias Brandt, dessen Besetzung scheinbar allein dem Zwecke eines vollen Hauses dient, wirkt unerwartet blass zwischen einem unangenehm lauten Oliver Kraushaar als Pozzo. Und am Ende fragt man sich, wozu?
Weshalb verhindert der Regisseur Luckys wunderbaren Monolog, in dem er Jannik Mühlenweg durch das Publikum jagt? Mit 2,5 Stunden und einer Pause ist dieser ‚Godot’ in jeder Minute unnötig. In der Kritik beruhen Bühne und Kostüm auf Geschmack. Dramaturgie und Regierführung sind Handwerk. Genau daran mangelt es dieser Arbeit. Auch die involvierte Souffleuse hilft nicht zur inneren Erbauung. Einzig die musikalische Live-Performance von Philipp Haagen bereichert einen ansonsten völlig belanglosen Theaterabend an einem tristen Karfreitag in Berlin.
- Gesehen am 18. April 2025
- Und hier die Stimme der Nachtkritik.