Das brave Dorf Huisum ist so brav wie seine Mitmenschen. Über Recht und Gesetz auf diesem schönen Flecken in den Vereinigten Niederlanden wacht Dorfrichter Adam auf seine Weise. Just am Gerichtstag trifft unerwartet Gerichtsrat Walter ein, der unbedingt an einer Verhandlung teilnehmen möchte und prüfen will, ob die Akten und Kassen gut geführt sind.
Gut geführt wird in Huisum sehr wenig, jedenfalls was die Juristerei anbelangt. Nun ist ein Krug zerbrochen und Frau Marthe beschuldigt den Verlobten ihrer Tochter Eve, Ruprecht. Der beteuert seine Unschuld und gibt an, einen unbekannten Dritten gestört und in die Flucht getrieben zu haben. Eve schweigt. Die Mutter tobt. Gerichtsrat Martin zweifelt. Dorfrichter Adam redet und redet und redet sich um Kopf und Kragen.
1808 uraufgeführt, gehört ‚Der zerbrochene Krug‘ zum Kanon deutschsprachiger Literatur. Gelesen in Schulen, gespielt auf den großen und kleinen Bühnen, ist Heinrich von Kleists klassisches Lustspiel zugleich ein Musterstück des analytischen Dramas. Präzise haben sich Elsa-Sophie Jach und Julia Buchberger ans Werk gemacht und das etwas ermüdende Konvolut an Blankversen klug bearbeitet und am Schauspiel Leipzig für die Bühne zurechtgestutzt. Mit 1:50 Stunden wird ‚Der zerbrochne Krug‘ zum Lustspiel mit bittersüßem Inhalt.
Komödiantisch arbeitet sich das Ensemble zum Kern vor, ihro Gnaden. Denis Grafe als Dorfrichter Adam, der listig seine Verhandlung zu sabotieren versucht. Anne Cathrin Buhtz als Gerichtsrätin Walter, eine katalytische Antagonist:in, die ahnt, dass Adam etwas im Schilde führt. Und Teresa Schergaut, die mit empathischem Ausdruck ihrer Eve bei aller Scham Würde verleiht.
‚Der zerbrochne Krug‘ beginnt als verworrene Lappalie und verdichtet sich zum hochkomplexen Intrigenspiel, das am Ende die Vergewaltigung eines Mädchens durch einen alten Sack, den Dorfrichter Adam, preisgibt. Die Leipziger Arbeit bleibt sachlich und fokussiert auf die ursprüngliche Anlage des Stückes. Sehr nah am Text betreibt Elsa-Sophie Jachs Inszenierung eine nüchterne Faktenrecherche, einem Modus, der heutzutage erfrischend willkommen scheint. Unterstrichen wird die Form durch eine musikalische Live-Performance, die passgenau die Stimmung aufgreift.
Repetitiv und atonal, Satz für Satz schneller, massiver, intensiver. Trotz der anstrengenden Musikbegleitung bedingen sich Inhalt und Form auch hier symbiotisch. In der Gesamtschau entwickelt sich der Leipziger Krug zu einer überraschend guten Arbeit, die natürlich ermüdet bei aller Spielfreude und fehlenden Ablenkung links und rechts.
- Gesehen am 8. Februar 2025
- Und hier die Stimme der Nachtkritik.