Nicht nur meine Enttäuschung war groß, als Gabriel Schneider im Gewandt des Prototyps Fußballfan resigniert feststellte: Matts Hummels ist nicht da. Sein Platz blieb leer – sehen Sie, dort in der fünften Reihe rechts. Aber es soll nicht um Matts Hummels gehen oder all die anderen Helden in bunten Trikots und kurzen Hosen. Die Flutlichtanlage schwenkt auf Sina Martens, die schöne, stolze, ja, perfekte Spielerfrau an seiner Seite. Matts Hummels ist nicht da, denn er zeigt Gabriels Frau gerade auf der Massagebank den Backstagebereich.
Dieses wiederkehrende Motiv – der Mann nimmt sich (heraus) und sie steckt zurück – wird zu einem der wenigen klugen Momente in ‚Spielerfrauen‘: Ohne den Mann wäre die Spielerfrau nicht konstruierbar, nicht existent. Gemeinsam mit Sina Martens möchte Lena Brasch diese ungleiche Partnerschaft ergründen. Mit ihrer zweiten Arbeit haben beide ein Stück erarbeitet, das ständig dribbelt, hier und da auch mal krasses Pressing versucht und plötzlich doch wieder im Abseits steht.
Apropos Abseits, im Spiel stehen sich Sina Marten und Gabriel Schneider durchweg auf Augenhöhe gegenüber und feuern sich an, noch besser und besser zu werden. Auf hohem Niveau schmettern sie temporeiche Dialoge vor die Torlinie. Verwandelt werden die Vorlagen dank des ziemlich coolen Bühnenbildes von Karl Dietrich und Joel Winter nur formal und selten inhaltlich, in einem wandel- und fragmentierten Bild, das zum Stadion, Loft, Fernsehstudio, zur Welt der Spielerfrauen wird.
Nach wenigen Tagen frage ich mich, was bleibt? Die guten Bilder stehen isoliert ohne Text und ohne Kontext. Daran krankt die Arbeit und gerät leider zur banalen Unterhaltungsshow. Die vielen guten Ansätze, Viktoria Beckhams Monolog beispielsweise zu ihrer Interpretation der Rolle Spielerfrau, ihrer Rüstung, ihrem Funktionieren in Schwarz, oder der Komplex Me too und häusliche Gewalt im Fußball, bleiben allein und ergeben kein Ganzes. Unverbunden in einer Aneinanderreihung von Episoden sollen sie einen Alltag imaginieren, der den allermeisten medial in GALA und 11 FREUNDE vermittelt wird.
Die 90 Minuten ‚Spielerfrauen‘ am Berliner Ensemble sind nette Unterhaltung und keine verschenkte Zeit – was Theater nie ist. Es hätte sich gelohnt, die vielen guten Fäden weiter zu spinnen. An schönen Passkombinationen fehlt es keineswegs. Doch vor dem Tor prallen die Bälle oft gegen die Latte, statt verwandelt zu werden.
- Gesehen am 13. Oktober 2024
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