Achtung, Theater! – ‚Ich weiß nicht, was ein Ort ist, ich kenne nur seinen Preis‘ vom Schauspielhaus Zürich im Deutschen Theater

Was war das für ein Spektakel an diesem Ort, den keiner kennt außer der, der den Preis bestimmt. Denn es ist der Preis der Absurdität, der den Ort definiert. Und natürlich den Knacks. Denn im Grund ist das ganze Leben ein Prozess des Niedergangs, sagt die Stimme unter tausend Lichtern. Tausend Lichter als Bogen und Tor. Als Pforte zum Glück. Als Entrée zum Menschen an sich. Zum Menschen als Terrorzelle. Zum Menschen als lebendigen Knacks. Denn Liebe scheint wie Kunst, völlig unkompliziert zu sein, sagt die Stimme in der großen Hand. Nicht der invisible hand wie vielleicht vermutet. Nein, der großen schwarzen Hand des Allmächtigen. Kingkong als Trostspender. Als Therapie und Par­ti­al­ob­jekt im Urwald des Sommernachtstraums. Hey, da ist ein Wasserfall, sagt die Stimme im Sprung auf Kingkongs Riesenpranke. Sagt die Stimme unter dem Toupet, als der bunte Vorhang fällt. Der Wasserfall im freien Fall. Die Nullerjahre als Anschlussfehler. Als Exzess ohne Ende und Anfang. Denn am Ende verblasst die Erinnerung. Ein Ende ohne Erinnerung im achtstündigen – nein – achtzehnstündigen – nein –achtundvierzigstündigen Sommernachtstraum mit Par­ti­al­ob­jekt – nein – im Par­ti­al­ob­jekt.

Der Knacks ist Thema und Sprung zugleich. Mit Knacks im Teller und Sprung in der Schüssel. Ein Sommernachtstraum als permanente Interferenz im Leben eines Schauspielers. Was René Pollesch zunächst auf Papier, später auf die Bühne im Schauspielhaus Zürich brachte, sind eine Stunde und vierzig Minuten Leben und Traum vom Ende gedachte. Geht es am Ende um die Wurst? So ein Mumpitz. Natürlich nicht! Es geht um den Knacks auf der Reise zur Endstation Sehnsucht. Als herausragend genderneutraler Triumvirat beweisen Kathrin Angerer, Marie Rosa und insbesondere Martin Wuttke im achtundvierzigstündigen Sommernachtstraum, wie es sich lebt im Milieuschutzgebiet der Persönlichkeitsstörung. Im Schutzgebiet mit Knacks und Traumdeutung und einem Bühnenbild, das Barbara Steiner zur unruhigen Ruhe und Liebe zur Skurrilität ausstaffiert. Im Glanz der Lichter und großen Namen. Wie hätten wir den Abend nur ohne Kingkong verbracht? Die Arena, Steiners Bühnenbild, ihre Arbeit bezaubert und verzaubert ohne zu entzaubern.

Und René Pollesches ‚Ich weiß nicht, was ein Ort ist, ich kenne nur seinen Preis (Manzini Studien)‘ war zweifelsohne ein Höhepunkt der Autorentheatertage am Deutschen Theater Berlin. Wer die Gelegenheit hat, soll selbst prüfen, welche Assoziationen die Reise in den Urwald mit tausend Lichtern am Bilderbogen auszulösen vermag.

Zu Recht ist Pollesch einer der Großen. Einer, bei dem selbst passioniertes Theaterinventar nie sicher sein kann, ob das Ende nun Ende oder nur Schlussakkord, Schlussakkord oder Auftakt zur nächsten Runde ist. Die nächste Runde im Kreislauf des Lebens. Warten auf Godot und zwar 4.0. Ein großer Abend, ein großes Stück, das völlig absurd und dabei auf dem Punkt das verhandelt, was ein Knacks ist. Vielleicht auch nur der Knacks Ihrer Autoantenne beim Dösen, beim Refreshing mit Kingkong in der Waschanlage.

  • Gesehen am 2. Juni 2019
  • Hier die Stimme der Nachtkritik.

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