‚Der Unvermeidbare‘ von Sara Sievert

Natürlich fehlt die Spannung, wenn man weiß, wie die Geschichte ausgeht. Und natürlich ist es bedauerlich, dass Sara Sievert ihren Blick hinter die Kulissen der Union noch vor der Bundestagswahl veröffentlicht hat. Viel spannender wäre es gewesen, die veritablen Fehltritte und Ausrutscher ihres Protagonisten strategisch eingeordnet zu wissen. Diese Kritik schmälert jedoch ihr Buch ‚Der Unvermeidbare‘ nicht, das sie über den aktuellen CDU-Vorsitzenden und wahrscheinlichen neuen Bundeskanzler geschrieben hat.

Wir waren nie Programmpartei, findet der CDU-Ministerpräsident. Es ist die alte Merkel-Schule, an die Wüst dort auf dem Deutschlandtag erinnert. Die anderen machen das Programm, die CDU regiert. Das war lange erfolgreich, wenn man bedenkt, was am Ende alles mit der Kanzlerin nach Hause ging: der Mindestlohn, der Atomausstieg, die gleichgeschlechtliche Ehe. Das alles kam aus dem Wahlprogramm anderer Parteien.“ (S. 156)

Mit Friedrich Merz sollte es anders werden. Zwar nicht gleich inhaltlich ausbuchstabiert bis ins kleinste Detail, aber ein neues Grundsatzprogramm sollte das Ende der 20-jährigen Amtszeit von Angela Merkel auch programmatisch dokumentieren, einhergehend mit vielen Kehrtwenden, insbesondere in der Zuwanderungspolitik. Sara Sievert zeichnet diesen Prozess nach und blickt deutlich weiter zurück auf Merz‘ (politische) Vita. Wer ist dieser Mann? Wie schaut er auf die Welt? Welche Rolle gibt er der Partei und sich selbst, innerhalb des Tankers CDU? Friedrich Merz ist heute 70 Jahre alt und somit älter als die Boomergeneration per Definition. Und dieser Mann soll die Zukunft der CDU, sogar die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland sein?

Die Autorin antwortet auf diese Fragen mal detailliert und ausführlich, mal biografisch und psychologisch argumentierend, mal politisch. Und durch die Bank weg gut recherchiert. Wie bereits ‚Machtverfall‘ von Robin Alexander ist ‚Der Unvermeidbare‘ die umfangreiche Fleißarbeit einer Journalistin, die oft Gelegenheit hatte, sehr vertrauensvoll mit dem Spitzenpersonal der Union zu sprechen. Diese umfassende und kenntnisreiche Kunde als anekdotische Gesamtschau ist die große Stärke dieses Buches.

Gleichwohl vieles journalistisches Handwerk ist und sie auf belastbare, vertrauensvolle Beziehungen zurückgreifen kann, wirken etliche Passagen redundant, stellenweise aufgebläht. Auf 248 Seiten nehmen zwei der drei Teile den überwiegend großen Raum ein. Und der dritte Teil rekonstruiert vielmehr das Scheitern der Ampel vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts bis zur überfälligen Entlassung von Christian Lindner als Bundesfinanzminister. Das ist alles sehr interessant und sprachlich wunderbar dargestellt. Hat Merz nun aber das Zeug zum Kanzler? Die Antwort enthält sie ihrer Lesendenschaft vor. Nichtsdestotrotz ist ‚Der Unvermeidbare‘ eine aufschlussreiche Grundlage und informative Entscheidungshilfe, um ein eigenes Urteil fällen zu können. Achtung, Spoiler: Der Södder Maggus kommt nicht so gut weg.

  • Gelesen im April 2025
  • Aufmerksam wurde ich auf das Buch durch einen Kommentar von LinkedIn.

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