Achtung, Theater! – ‚Bad Kingdom‘ an der Schaubühne

Falls Ihnen Serienhighlights wie „Verbotene Liebe“, „GZSZ“ oder „Sturm der Liebe“ noch geläufig sind, haben Sie großes Glück. Denn was gibt es Schöneres als die Darstellung der idealisierten romantischen Beziehung zwischen zwei Menschen? Nur wenige noch existenziellere Dinge fallen direkt ins Auge: Klavierspielende und gleichzeitig singende Hunde beispielsweise. Oder Wachstum, Erfolg, Cash. Ich meine, möglicherweise gehören Sie selbst einer ethnischen Minderheit in Deutschland an? Vielleicht möchten Sie auch in eine boomende Zukunftsbranche investieren. Allein innerhalb der letzten drei Jahre hat sich der Aktienwert von Rheinmetall verzehnfacht. Wenn also Menschen unter 18 Jahren erneut von zwar sehr hervorragenden, aber leider noch nicht ganz perfekten, deutschen Exportprodukten am Weiterleben in ihrem Land gehindert wurden, seien Sie nicht zögerlich und profitieren Sie auch vom wirtschaftlichen Erfolg.

So wie Ursina Lardi als Viola Stephán beispielsweise, eine ganz bedeutende Pianistin, die mit immerhin 512 TikTok-Likes Konzertsäle zur Hälfte füllt. Was für eine bemerkenswerte Leistung. Sie steht im Mittelpunkt, wird angesehen, betrachtet, objektiviert. Wären nicht immer diese Videos aus Krisengebieten. Cat, Dog, Doggy Content. Oder was meinen Sie? Schreiben Sie Ihre Antworten gerne in die Kommentare!

Wie immer wird aufgefahren, was die Schaubühne zu bieten hat. Hübsche Gesichter, mittelgroße Namen, eine volle Bühne mit Bling-Bling und Sound und sexy Typen, die singen und – hey – sogar Klavier spielen können. Da sprudelte es aus Falk Richter heraus, als er ‚Bad Kingdom‘ schrieb und am 11. Februar 2024 an der Berliner Schaubühne uraufführte. Leider war die Zeitschaltuhr am Zimmerspringbrunnen fehlprogrammiert, weshalb Die Stunde, da wir nichts voneinander wissen wollten – 71 Fragmente der Einsamkeit bereits nach 30 Minuten auserzählt ist. 71 Fragmente sind redundante Handysnippings emotionsentleerter Cuddling Moments, die irgendwie lustig daherkommen, aber großteils banaler Mittelschichtsmumpitz sind. Glücklicherweise spielt Jule Böwe als Drehbuchoptimiererin super, super nice. Ohne ironischen Schnürboden ist sie zurecht Star des Abends.

Leider jagen ansonsten Abziehbilder die nächsten Klischees, Wohlstandstraumata daddeln im Social Web mit Posterschöpfungspsychosen einer psychotischen Gesellschaft. Atemlos durch TikTok-Nächte. Wieso fühle ich dich nicht mehr beim Sex?, fragt irgendein Michael, gespielt von Marcel Köhler, dem die vergangene Zeit leider auch nicht so gut tat. Dass wir zurück zu uns finden, uns spüren sollen tief im Inneren drin, und dadurch irgendwie alles bewältigen können – diese Kriege, Klima, Cat Content – rät schließlich irgendeine monologisierende, völlig überflüssige Psychologin, ebenfalls gespielt von Ursina Lardi. Boring!

‚Bad Kingdom‘ provoziert schon auch Lacher, kitzelt mal hier und kribbelt die Bauchmuskeln mal da. Auch das gut bespielte, multimediale Bühnenbild von Katrin Hoffmann macht Spaß, insbesondere wenn zum einzigen Höhepunkt vor der Pause das Bild zur dreidimensionalen Insta-X-TikTok-World mutiert. Interessant zu sehen, sind auch die fruchtbaren Anleihen von ‚Es kann doch nur noch besser werden‘ am BE. Der überwiegend große Teil zeigt jedoch gewöhnliche Probleme gewöhnlich langweiliger Menschen, die alles andere haben als Probleme. Der scheinbare Spiegel, den Richter dem Publikum entgegenhält, desavouiert der Autor und Regisseur im zweiten Teil selbst. Wäre nach 80 Minuten Schluss: Okay, kann man machen, nette Unterhaltung. 150 Minuten inklusive einer Pause sind verpuffende Stürme im Wasserglas der Liebe, die in guten wie in schlechten Zeiten nicht mal von Liebe handeln. Super boring bullshit, sweety TikTokies!

  • Gesehen am 15. Februar 2024
  • Und hier die Stimme der Nachtkritik

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