Hallo AI, was machen wir heute? Tauchen wir ein ins Metaverse 3.0, unser Spiegelkabinett der letzten Generation? Hui, das wird ein Spaß, oder liebe AI? Neulich, als ich eine verschwommene Erinnerung an die Zeit des Konsums hatte – puh, zum Glück ist diese Zeit überwunden – dachte ich an meine Eltern und konnte es kaum fassen, wie unsolidarisch, wie unkritisch und meritokratisch sie waren. Früher arbeiteten sie als IT-Expert:innen. Sie programmierten unsere Social Media Kanäle, bis wir sie abschalteten und die AI unsere Entscheidung übernahm. Aber nun haben wir – zum Glück – all jenes überwunden und sind solidarisch mit [Klingelläuten]. Ah, meine neue Bestellung Angst wird geliefert. Vor 23 Minuten habe ich mich diesmal für die XL-Version Weltuntergangsangst entschieden. Danke, liebe AI, dass mir die Weltuntergangsangst ein Gefühl gibt von – hoppla, meine Erinnerungen, hach. Hallo AI, was machen wir heute?
Repetitiv, repetitiv, repetitiv kann es doch nur noch besser werden, liebes Publikum. Schaut auf diese Stadt mit ihrem Berliner Ensemble, mit der unglaublichen Uraufführung von Sibylle Bergs neustem Stück ‚Es kann doch nur noch besser werden‘. Schauen Sie hin und tauchen Sie ein, nicht auf – nie wieder –, und erleben Sie 75 Minuten Zukunft. Sagen Sie danke an die AI und Max Lindemann, der Dank der KI sogar inszenieren kann. Viele wissen das nicht, aber die Zukunft, hier in dieser Stadt und seinem BE ist eine Nummernrevue für Intellektuelle. Wer Sibylle Berg bislang nur schwer – wie soll ich es formulieren? – (be)greifen könnte: kein Problem. Dank der AI sind Sie alle in der Lage, einfach zu sehen, zu hören, zu fühlen – ja, sogar zu fühlen.
Schalten Sie ab und tauchen Sie ein. Max Lindemanns Inszenierung ist die Petersburger Hängung eines Textes. Ein Stück, das als Avatar auf sein eigenes Update wartet. Hoppla, falsches Interface, Sie wurden downgegradet. Sie haben nicht verstanden, was Ihre Zukunft bedeutet. Sie haben sich unsolidarisch verhalten und weiterhin konsumiert. Das war unsolidarisch. Deshalb entziehen wir Ihnen Ihr Recht auf Trinkwa – hoppla! Ah, hallo, hier ist Olan, Ihr Live-Musiker des Abends. Hallo lieber Olan! Olan hat den Sound gewechselt. Lasst uns tanzen!
Feiert Sibylle Berg, feiert ihren Text, feiert eure Avatare, ihr Boomer. Mit Sita Messers Bühnenbild wisst ihr, wo die Reise hingeht: Immer im Kreis entlang gefangen im Metaverse. Dystopischer Unsinn sagen die einen, kreatives Feuerwerk sagen die anderen. Ich sage, ob mit oder ohne AI bleibt ‚Es kann doch nur noch besser werden‘ weit hinter den Möglichkeiten zurück. Die tausendundeinen Einfälle einer digitalen Gefängniszukunft, die sich wie eine Mischung aus Die Sims und Matrix anfühlt, bleiben zusammenhangslos. Die erzählte Geschichte des teleologischen und bejubelten Weltuntergangs wird zum Avatar ihrer selbst. Ein Leben im Standgalopp als Insta-Feed ohne Neues. Als ob die Welt nicht weiterginge. Alles ein digitaler Klon: Die Schauspielenden, das Stück, Sybille Berg. Alles repetitiv, repetitiv, repetitiv.
- Gesehen am 19. Dezember 2023
- Und hier die Stimme der Nachtkritik.
Eine Antwort auf „Achtung, Theater! – ‚Es kann doch nur noch besser werden‘ am Berliner Ensemble“