Anfangen! Alle Freunde? Im Nachthemd! Eine Insel? Einmal oder zweimal? Locken bis zum Po? Nachmacherin! Ada ist keine Nachmacherin. Vielmehr eine Entschlossene, die manchmal verstummt, sich zurückzieht und ohne Reaktion aushält, standhält, einer Situation, oder Menschen. Sie vorbeiziehen lässt. Die sich an ihr abarbeiten, an Ada, diesem Mädchen mit dem Vater, der arbeitet und sich zu Hause ausruht und der Mutter, die arbeitet und zu Hause weiterarbeitet, während sich der Vater erholen muss.
Auch Freund:innen hat Ada. Einige, vielleicht sogar viele. Oftmals geben sie gut gemeinte Ratschläge. Schnell sind sie bei der Stelle. Tue dies und lasse das. In hübschen Häusern wohnen sie, deren Mütter Kuchen backen und sie zum Abendessen einladen. Wieso sich Ada unwohl fühlt im Aphorismenstadl? Dieser Verkettung von ihr und wir und freundlichen Ein- und Auslassungen. Nein, nein, die Mutter sei Deutsche und der Vater Inder. Die einzige Türkin der Familie sei sie, sagt Ada.
„Ganz bestimmt bekam sie ein Mangelhaft. Woran es ihr gemangelt hat? An Konzentration? Oder Fleiß? Disziplin und Leistungswillen? An Ehrgeiz? An Wissensdurst? Oder an der richtigen Einstellung? Womöglich an Verstand. Vielleicht war es auch etwas Kulturelles.“ (S. 50)
Anfangen, Alle Freunde, Im Nachthemd, Eine Insel, Einmal oder zweimal, Locken bis zum Po, Nachmacherin: So lauten die ersten sieben Kapitel in Dilek Güngörs aktuellem Roman ‚A wie Ada‘, stellvertretend stehen als Kalenderblatt im Jahrbuch des Lebens. Rund 90 Episoden verfasst die Autorin: Miniaturen, kurze Streiflichter, vergeistigte Alltagsreflexionen fiktiver, möglicherweise auch autofiktionaler Erlebnisse. Im Mittelpunkt steht die Protagonistin und Ich-Erzählerin Ada, die in der Rahmenhandlung vom Kindergarten bis um 50. Geburtstag begleitet wird. Obwohl Dilek Güngörs schmaler, 105 Seiten umfassender Roman klassisch dem postmigrantischen Kanon zuzurechnen ist, verhandelt die Autorin Grundsätzliches in der Beziehung zu sich, zur Umwelt, zur Familie und ihren Mitmenschen.
Die besondere Stärke ist Dilek Güngörs Sprache, die Ada im close-up portraitiert. Kein Zuckerguss, sondern Phrasen und umgangssprachliche Fragmente werden beinahe kunstvoll kuratiert. Im inneren Monolog dekonstruiert Ada so ihre Eindrücke einfach, bisweilen naiv, aber ungemein klug mit wachen Augen und neugierigem Blick Seite für Seite.
‚A wie Ada‘ ist ein Roman, der durch Bescheidenheit besticht. Der sich zurücknimmt und Fragen stellt. Der rasch dahinzieht. ‚A wie Ada‘ ist stürmische, aber sensibel, manchmal scheu, auf jeden Fall stolz und nachdrücklich und wundervolle Literatur.
- Gelesen im April 2024
- Herzlichen Dank, lieber Patrick, für deine wunderbare Empfehlung.